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Demonstration für Demokratie und faire Handelspolitik - wo war die SPD?

Veröffentlicht am 19.10.2015, 14:08 Uhr     Druckversion

Hildegard Bedarff und Eckart Kuhlwein mit einem offenen Brief an die Mitglieder der schleswig-holsteinischen SPD

Liebe Genossinnen und Genossen,

am Samstag, den 10. Oktober 2015, haben 250 000 Menschen  in Berlin für den Erhalt von Demokratie und Rechtsstaat demonstriert. Diese Menschen setzen sich dafür ein, dass unsere gewählten Parlamente und Regierungen den Gestaltungsspielraum behalten, den sie brauchen, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden.

Sie setzen sich dafür ein, dass Kultur, Bildung und die kommunale Daseinsvorsorge nicht nur dem Markt bzw. globalen Investoren überlassen werden. Sie wollen, dass der Primat der Politik auch für den internationalen Handel und Direktinvestitionen gelten soll. Auch viele SPD-Mitglieder haben mitdemonstriert.

Sollte sich die SPD  nicht über diese politisch aktiven Menschen freuen? Sollte unsere Partei nicht ein natürlicher politischer Partner dieser Menschen sein? Sehr viele SPD-Mitglieder und unzählige (bisherige) Sympathisanten unserer Partei nahmen an der friedlichen Demonstration gegen TTIP und CETA teil, zu der ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis einschließlich des DGB und aller Mitgliedsgewerkschaften aufgerufen hatte. Natürlich waren wir auch dabei. SPD-Mitglied Michael Müller warnte als Vorsitzender der NaturFreunde vor einer "kapitalistischen Revolution". Und Gesine Schwan , Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission beschwor den Vorrang der politischen Demokratie vor privaten Wirtschaftsinteressen.

Leider verschließt sich unsere Parteispitze bisher den Argumenten des zivilgesellschaftlichen Bündnisses und wirbt weiterhin für CETA und TTIP. So ist es nicht überraschend, dass viele Demonstrantinnen und Demonstranten großen Ärger und tiefe Enttäuschung über die SPD ausdrückten. Zur Personalisierung ihres politischen Gegners wurde gerne die Person unseres Parteivorsitzenden gewählt, während Willy Brandt als Vorbild hochgehalten wurde, etwa durch den Spruch: "Willy Brandt hätte TTIP und CETA verhindert." Auf einem Plakat wurde der Wandel unserer Partei so dargestellt: "von mehr Demokratie wagen zu mehr Lobbyismus und mehr Schutz für Investoren". Auch Parlamentarier bekamen ihr Fett weg: "Wir wählten Politiker und bekamen Lobbyisten."

Die roten Linien, auf die sich die SPD letztes Jahr auf dem Berliner Parteikonvent verständigt hat, müssen eigentlich zu einer Ablehnung der Abkommen führen. Das gilt erst recht, wenn wir unser Hamburger Programm von 2007 ernst nehmen. Dennoch verschanzt sich derzeit unsere Parteispitze hinter einfachen Pro-TTIP-Formeln, die keiner Überprüfung standhalten und die für alle, die eine differenzierte Diskussion führen, nur als Affront verstanden werden können.

So heißt es in SPD-Verlautbarungen gerne, wir benötigten TTIP und CETA, damit die Globalisierung endlich Regeln bekomme. Tatsächlich hat die Regeldichte in den internationalen Beziehungen in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen. Besonders intensiv sind die Regeln für den internationalen Handel ausgeweitet worden. Zölle sind radikal abgebaut immer neue Wirtschaftsbereiche sind für den Handel geöffnet worden, da Liberalisierung und Privatisierung seit Mitte der 1980er Jahre für viele als Patentrezept für Wachstum und Wohlstand gelten. Handelspolitiker sind sogar zu Schlüsselfiguren der Globalisierung geworden.

Was würden CETA und TTIP tatsächlich für die Regelsetzung der Globalisierung bedeuten? Die Politik der ungehemmten Liberalisierung, die ab 2008 in die internationale Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise geführt hat, würde in den geplanten Handels- und Investitionsschutzabkommen neuen Typs in noch radikalerer Form fortgesetzt werden. Die Verträge würden Global Players wie Amazon, Google, Volkswagen oder den Hedge Fonds zusätzliche vertragliche Rechte geben, mit denen sie staatliche Politik aushebeln könnten (Investorenschutzklauseln und Klagerechte für Investoren).

Bisher geschützte Bereiche sollen für den globalen Markt geöffnet werden. Die Trinkwasserversorgung würde ebenso unter den Liberalisierungs- und Privatisierungsdruck geraten wie der Rettungsdienst. Amerikanische Gesundheitsanbieter betreiben gezielte Lobbyarbeit, um einen freien Zugang zum europäischen Markt zu erreichen, wodurch private Praxen und Landeskrankenhäuser vom Markt gefegt und der Preis für Gesundheitsleistungen explodieren würde.

Wer länger in den USA gelebt hat, weiß, dass die Kosten für die gleichen Gesundheitsleistungen dort um ein Vielfaches höher sind, als bei uns. Schließlich sollen durch CETA und TTIP Entscheidungen von den Parlamenten in eine intransparente Handelsbürokratie verlagert werden: Gesetzesinitiativen aller politischen Ebenen sollen von einer transatlantischen Regulierungsbehörde auf ihre Handels- und Investorenfreundlichkeit hin überprüft werden, noch bevor sie in den Parlamenten beraten werden. Unternehmen sollen bereits in dieser frühen Phase umfangreiche Informations- und Konsultationsrechte erhalten.

Die parlamentarische Arbeit würde dadurch empfindlich eingeschränkt. Der Primat der Politik würde endgültig durch den Primat der Ökonomie ersetzt werden. Anders als manche Verlautbarungen in unserer Partei vermuten lassen, werden bei dem vorliegenden Abkommen CETA keinesfalls gute Arbeits-, Umwelt- und Sozialstandards vereinbart. Inwiefern Vorrechte für globale Investoren, eine Aushöhlung der Demokratie sowie eine marktkonforme Bildung, Kultur und Daseinsvorsorge tatsächlich die Globalisierung in sozialdemokratischem Sinne gestalten würden bzw. uns vor einer möglichen Dominanz Chinas schützen könnten, erschließt sich uns nicht.

Nach langem Tauziehen haben die USA und die Pazifikanrainerstaaten kürzlich ein sogenanntes Transpazifisches Partnerschaftsabkommen (TPP) paraphiert, das starke Ähnlichkeiten mit TTIP aufweisen dürfte. Auch vor diesem Hintergrund sollten wir nicht in Torschlusspanik verfallen und auf die Ratifizierung von CETA und TTIP drängen. Es ist unklar, wie sich TPP auf die Wirtschaftsbeziehungen der Region mit Europa auswirken würde. Vielmehr sollten wir bedenken, dass TPP zunächst von allen beteiligten Regierungen ratifiziert werden muss und dass sich in den beteiligten Staaten entschiedener Widerstand aufbaut, gerade durch Gewerkschaften, Umweltverbände und nicht zuletzt auch durch Sozialdemokraten bzw. ihnen nahestehende politische Gruppierungen.

Je nach politischer Grundüberzeugung kann man weitere Schritte eines Marktradikalismus zulasten der Politik befürworten, wie etwa die Handelskommissarin der EU, Frau Malmström, die Bertelsmann Stiftung und der BDI, oder bekämpfen und ein Umdenken fordern, wie die Veranstalterinnen und Teilnehmer der Demonstration "Stopp TTIP/CETA".

Wir als Sozialdemokraten sind aufgefordert zu entscheiden, auf wessen Seite wir stehen wollen. Wenn wir unseren sozialdemokratischen Grundwerten treu  bleiben wollen, sollten wir gemeinsam CETA und TTIP und ähnliche Abkommen  verhindern, solange dafür noch Zeit ist. Wir sollten uns für eine zukunftsfähige und faire Handelspolitik einsetzen und betroffene Staaten dabei unterstützen, unfaire Investitionsschutzabkommen zu kündigen.

Wir würden uns über eine Antwort freuen, stehen gerne für ein Gespräch bereit und verbleiben mit solidarischen Grüßen,

Eure ufos

gez. Hildegard Bedarff Eckart Kuhlwein

Kontakt: eckart.kuhlwein@spd-ufo-sh.de


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