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Mit Realismus und Zuversicht
Veröffentlicht am 08.10.2015, 23:55 Uhr

Martin Habersaat und Glinder Diskussionstreff 60plus sprechen über Flüchtlinge Manches passiert monatlich, anderes mindestens jährlich, noch anderes eigentlich nie: An jedem zweiten Donnerstag im Monat kommt der Diskussionstreff 60plus bei Kaffee und Kuchen im Glinder Bürgerhaus zusammen. Mindestens einmal im Jahr, 2015 schon zum zweiten Mal, kommt Martin Habersaat zu Besuch, früher als SPD-Kreisvorsitzender, seit 2009 als örtlicher Landtagsabgeordneter.
Und seit mehr als 20 Jahren eigentlich nie fehlt Organisatorin Marietta Exner, die allerdings im Oktober 2015 im verdienten Urlaub weilte und von Manfred Wagner und Ingrid Stübing vertreten wurde. Obwohl ein Bericht „quer durch die Landespolitik“ angekündigt war, nutzte die Runde die zwei Stunden am Nachmittag fast ausschließlich für die Themen Flucht und Integration. Viele der Seniorinnen und Senioren konnten hier eigene Erfahrungen beisteuern.
Manche der Anwesenden hatten nach dem zweiten Weltkrieg selbst fliehen müssen. Weil damals nach dem Krieg gewissermaßen alle neu anfangen mussten und alle immerhin Deutsch sprachen, sei die Integration der Flüchtlinge aber vergleichsweise leicht gewesen, fand eine Teilnehmerin. Ein anderer erinnerte sich, dass die Neuankömmlinge aus den östlichen Teilen des Deutschen Reiches mit Vorurteilen zu kämpfen hatten und wies darauf hin, dass die materiellen Voraussetzungen heute eben deutlich besser seien und es heute nur um einen Bruchteill der Flüchtlinge von damals gehe. Von seinen Erfahrungen mit Gastarbeiterkollegen aus Portugal und der Türkei berichtete ein Dritter, der die Notwendigkeit von Deutsch- und Integrationskursen betonte. „Es kommen Menschen“, fasste eine Vierte ihre Überlegungen zusammen und warb für die Betrachtung von Einzelschicksalen.
Und wie können nun die Erfahrungen aus der Vergangenheit für die Zukunft nutzbar gemacht werden? Glinde war einst eine der ersten deutschen Städte mit einem Gastarbeiter-Parlament. Kann das noch einmal funktionieren, dieses Mal für Flüchtlinge? Braucht die Stadt einen hauptamtlichen Flüchtlingsbeauftragten? Was können Vereine und Ehrenamt leisten, wo brauchen sie Unterstützung? Viele Ideen wurden diskutiert, einig war man sich vor allem in drei Punkten: Erstens: Wer Angst vor Überfremdung hat, sollte einzelne Flüchtlinge kennenlernen. Zweitens: Es kommt auf die Sprache an. In der Kita, in der Schule - Deutsch als Zweitsprache (DaZ) -, aber auch für die Eltern dieser Kinder müsse es entsprechende Angebote geben. Drittens: Es werden mehr Wohnungen gebraucht, nicht nur für Flüchtlinge. Bund, Länder und Kommunen müssen hier gemeinsam schnell „in die Puschen kommen“, fasste Habersaat die Diskussion zusammen. Zu den Vorteilen des oft gescholtenen Finanzausgleichsgesetzes gehöre übrigens, dass Kommunen nicht mehr finanziell bestraft würden, wenn sie sozialen Wohnungsbau betrieben. „Den werden wir in den kommenden Jahren brauchen.“
Das Fazit des Landtagsabgeordneten: „Die Herausforderungen sind groß, da darf man nicht drum herumreden. Aber es bringt nichts, jetzt über Zäune oder symbolträchtige Abschiebungen zu diskutieren. Meinem Naturell entspricht es eher, mit Realismus und einer Portion Zuversicht die anstehenden Herausforderungen anzupacken. Zum Glück sehen das viele andere auch so!“
Foto: Ingrid Stübing und Martin Habersaat