SPD Nortorf

Von der Arbeiter- zur Volkspartei

Von der Arbeiter- zur Volkspartei

Die Wiedergründung der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte auf der Basis des Heidelberger Programms von 1925, das im Kern auf der weltanschaulichen Deutung des Marxismus beruhte. So hieß es z.B.: „Das Ziel der Arbeiterklasse kann nur erreicht werden durch die Verwandlung des kapitalistischen Privateigentums an den Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum." Zu den wesentlichen Merkmalen des Programms zählte die Abgrenzung zum Kommunismus, das Bekenntnis zur Landesverteidigung und die Forderung nach öffentlicher Kontrolle wirtschaftlicher Machtkonzentration. Der SPD jener Zeit verstand sich als politische Stimme der Arbeiterklasse

Auch nach 1945 bildeten weiterhin Arbeiterinnen und Arbeiter des Hauptteil der Mitglieder und der Wähler. Doch im Zuge der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung nahm diese Bevölkerungsgruppe zahlenmäßig langsam ab. Zudem wurde der Abstand zwischen der Arbeiterschaft und anderen gesellschaftlichen Gruppen durch bessere Bildung und Qualifizierung - auch dank sozialdemokratischer Politik - immer geringer. Das Ziel der Arbeiterbewegung schien erreicht zu sein: Ihre Angehörigen wurden in vielen Bereichen der Gesellschaft als gleichberechtigte Bürger anerkannt. Damit stellte sich automatisch die Frage nach der Existenzberechtigung einer „Arbeiterpartei".

Die SPD reagierte auf diese Entwicklung mit einem neuen Grundsatzprogramm, das am 15. November 1959 auf einem Sonderparteitag in Bad Godesberg beschlossen wurde. Mit diesem „Godesberger Programm", für das 340 von 354 Delegierten stimmten, gingen die Sozialdemokraten auf Distanz zum Marxismus und strebten die Entwicklung von der Arbeiter- zur Volkspartei an. Die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien war nun nicht länger Ziel der SPD-Politik, statt dessen setzte man auf freien Wettbewerb, um „stetig wachsenden Wohlstand und eine gerechte Beteiligung aller am Ertrag der Volkswirtschaft" zu erreichen. Der Vorstand, allen voran der stellvertretende Vorsitzende Herbert Wehner, setzte die neuen Grundsätze gegen den Widerstand des linken Flügels der Partei durch, der für die Beibehaltung marxistischer Positionen eintrat.

Was bedeutete nun dieses neue Parteiprogramm für den einzelnen Ortsverein? Im Verlauf der fünfziger Jahre hatte sich bereits gezeigt, daß die SPD nicht mehr die alle Lebensbereiche umfassende „Heimat" der Arbeiter wie vor 1933 war. Vereine und Wohlfahrtverbände öffneten sich für alle Bürger, die soziale Ausgrenzung der Arbeiter war zwar nicht vollständig beseitigt, aber nicht mehr so konkret greifbar. Die sozialen Aspekte der Parteiarbeit traten daher immer mehr hinter die kommunalpolitische Arbeit zurück. Schon in der Zeit der Weimarer Republik hatte das allgemeine, gleiche Wahlrecht dafür gesorgt, daß die SPD Vertreter in die Nortorfer Stadtverordnetenversammlung entsenden konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellten sie erstmals die Mehrheit. Die „Machbarkeit" spielte daher bei der Durchsetzung politischer Ziele eine zentrale Rolle.

Hinzu kam eine langsame, aber stetige Veränderung der Mitgliederstruktur. Während der Anteil der Arbeiter immer weiter zurückging, stieg derjenige der Angestellten und Beamten, z.B. der Lehrer. Dieser Wechsel vollzog sich im Verlauf der sechziger Jahre. Als die SPD im Jubliäumsjahr 1964 in einer Feierstunde im Schützenhof altgediente Mitglieder ehrte, standen diese für die „traditionelle" SPD. Damals erhielten die goldene Ehrennadel für 50jährige Mitgliedschaft: Emma Schöbel, Frieda Krohn, Max Zittwitz, Johannes Claußen, Adolf Gutow, Detlef Ibs, Karl Reimer, Hans Dierks und Hinrich Bock. Für 25jährige Mitgliedschaft wurden geehrt: Maria Zemke, Paul Bahns, Paul Döbbel, Rudolf Döbbel. Julius Haupt, Jürgen Rohwer, Wilhelm Johst, Max Krüger, Willi Mallon, Werner Wommelsdorf, Hans Mester, Hermann Stapelfeld, Werner Seefeld, Albert Zemke, Fritz Jeschkowsky, Siegfried Kühl, Hugo Storm. (NZ 25.01.1964) In der Stadtverordnetenversammlung saßen zu diesem Zeitpunkt bereits einige Vertreter der „neuen" SPD: die Angestellten Wilhelm Johst und Erwin Stahlhut und der Mittelschullehrer Kurt Hamer. 

 
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