SPD Nortorf

Aus den Gründungsjahren des SPD Ortsvereins

Aus den Gründungsjahren des SPD Ortsvereins

Auch vor Gründung des Nortorfer Ortsverein gab es hier organisierte Arbeiter. Sie waren Mitglieder des bereits 1867 gegründeten Ortsvereins Neumünster. Mit den Ereignissen der Jahre 1903 und 1904 veränderten sich die Verhältnisse, so daß ein eigener Ortsverein immer sinnvoller erschien.

Es begann zunächst mit einen Arbeitskampf im deutschen Töpfergewerbe, der auch in Nortorf seine Auswirkungen hatte. Nach Streik und gescheiterten Verhandlungen beschloß der Kachelofenfabrikanten-Verband Ende 1903 die Aussperrung. Ein Beschluß, dem auch der Nortorfer Unternehmer Maaß folgte, indem er einem Teil seiner Belegschaft kündigte. Nach dem Ende des Streiks zeigt sich, daß Herr Maaß die Gelegenheit zu einer „Säuberungsaktion" nutzen wollte. Die Volkszeitung berichtete am 7. Januar 1904: „Ein Kollege erhielt sofort den Auftrag, Herrn Maaß zu fragen, ob und wann die Arbeit wieder anfangen könne. Was aber hörten wir? Die Töpfer sollen einzeln wegen Arbeit fragen, denn er könne nur wenige von seinen Leuten wieder einstellen. Am 2. Dezbr. erklärte Herr Maaß, daß keiner gemaßregelt würde, heute sieht es aber anders aus. Schon im Sommer übrigens prophezeite Maaß, die ‚Aufwiegler′ und ‚Hetzer′ müßten erst heraus und zwiebeln würde er uns [gemeint sind die sozialdemokratischen Arbeiter] schon."

Diese Erfahrung der jüngsten Vergangenheit und der Zuzug von neuen Arbeitern durch die Gründung der Böhmeschen Lederfabrik mögen den Boden bereitet haben. Auf einer Versammlung in Wulfs Salon am 13. März 1904, bei der der Reichstagsabgeordnete Carl Legien als Referent auftrat, wurde das Samenkorn gelegt: „Da hier jetzt in den Lederfabriken ungefähr 80 Personen arbeiten, wäre es angebracht, auch einen sozialdemokratischen Verein zu gründen. In der Tat, Genossen, einen solchen Verein müssen wir haben. Agitiere jeder, der Erfolg wird nicht ausbleiben." So schrieb die Volkszeitung am 17. März 1904.

Das genaue Gründungsdatum des Nortorfer Ortsvereins läßt sich leider nicht mehr feststellen. Im Rechenschaftsbericht der Partei für das Jahr 1904/05 wird Nortorf mit 32 Mitgliedern verzeichnet. Das entspricht etwa der Zahl an Mitgliedern, die der Ortsverein Neumünster im gleichen Zeitraum verloren hat. Es waren also schon altgediente SPD-Mitglieder, die die Gründung des Ortsverein Nortorf betrieben. Die Werbung neuer Genossen gehörte somit zu den vordringlichen Aufgaben der ersten Jahre. Ein Jahr nach Gründung verzeichnet der Rechenschaftsbericht der Partei für den Ortsverein Nortorf 69 Mitglieder, ein weiteres Jahr darauf 62. Bemerkenswert ist die hohe Fluktuation. 1906 standen 56 Zugängen 22 Abgänge gegenüber; 1907 war das Verhältnis 48 zu 55. Die Zahlen verwundern allerdings nicht, wenn man in der Volkszeitung liest, daß beispielsweise bei den auswärtigen Arbeitern, die 1907 am Bau der Gasanstalt arbeiten, um Beitritt geworben wurde. Wenig erfolgreich war die Mitgliederwerbung bei den Landarbeitern der umliegenden Dörfer, so daß auch in den folgenden Jahren Land- und Industriearbeiter nur selten eine gemeinsame Basis fanden.

 

Auszug aus dem Rechenschaftsbericht des 7. Schleswig-Holsteinischen Reichstagswahlkreises 1904/1905
(Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn)

Auf der Mitgliederversammlung am 19. August 1906 wurde Rückschau gehalten auf das erste Geschäftsjahr. Die Volkszeitung berichtete: „Zunächst ließen sich 2 neue Mitglieder aufnehmen. Dann erstattete der Kassierer den Kassenbericht vom 2. Quartal ... Darauf stattete der Vorsitzende einen eingehenden Bericht über die Entwicklung und Tätigkeit des Vereins im verflossenen Geschäftsjahr. Der Bericht ist von besonderer Wichtigkeit, da er eine Uebersicht über das Geburtsjahr unseres Vereins gibt, der erst ein Jahr besteht, vordem waren die hiesigen Genossen dem Sozialdemokratischen Verein zu Neumünster angegliedert. Aus dem Bericht ist folgendes zu erwähnen: Die Gesamteinnahme betrug im vergangenen Geschäftsjahr 265,10 Mk. und die Gesamtausgabe 229,28 Mark. Mitglieder zählte der Verein am Anfange des Geschäftsjahres 32 und am Schlusse 69. Mitgliederversammlungen fanden 12 statt, in 4 davon war ein Referent erschienen. Der Besuch war durchschnittlich mäßig. Volksversammlungen fanden 4 statt, die durchschnittlich gut besucht waren. Am stärksten war die Wahlrechtsdemonstrationsversammlung am 21. Januar besucht, nämlich von ca. 200 Personen. Flugblattverbreitungen fanden 3 in Nortorf und 2 im Landbezirk statt.

 

Auszug aus dem Rechenschaftsbericht des 7. Schleswig-Holsteinischen Reichstagswahlkreises 1904/1905
(Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn)

Vom Volkskalender und der ‚Landpost′ wurden je 1050 Exemplare verbreitet. Dreimal wurde eine Hausagitation für die ‚Volks-Zeitung′ vorgenommen, der Erfolg war ein sehr minimaler. ... Die Vorstandswahl ergab folgendes Resultat:

P. Bader, Vorsitzender; H. Lütje, Kassierer; J. Schaumburg, Schriftführer. Als Beisitzer wurden die Genossen Gielewsky und Schubert, als Revisoren die Genossen Sienknecht, Döbler und Körner gewählt."

Man kann davon ausgehen, daß es sich bei den Wahlen des Vorstands überwiegend um Wiederwahlen handelte. Bereits 1905 war Paul Bader als erster eigener Delegierter zur Generalversammlung des Sozialdemokratischen Zentral-Vereins für den 7. Reichstags-Wahlkreis entsandt worden. Eine Ehre, die sicher dem Vorsitzenden zukam. Bei der nächsten Reichstagswahl am 30. Januar 1907 wurde der sozialdemokratische Abgeordnete Legien im 7. Wahlkreis wiedergewählt. Wahlversammlungen, die die Nortorfer SPD im Vorfeld der Wahl veranstaltete, trugen sicher ihren Teil dazu bei.

 

 

Anzeigen in der VZ v. 21.04.1906 und 01.05.1906

 

Anzeige in der VZ v. 12.05.1906

In der Nortorfer Kommunalpolitik konnte die SPD in diesen Gründungsjahren noch nicht Fuß fassen, obwohl es nicht an Versuchen mangelte. Die erste Gelegenheit kam im Gefolge der Bürgermeisterwahl im Februar 1907, bei der Amtsinhaber Reiff nach zwölfjähriger Dienstperiode wiedergewählt wurde. Die Partei des Gegenkandidaten äußerte Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Wahl, weil die Bahn- und Postbeamten „nach Wunsch" ihrer Vorgesetzten für Reiff gestimmt haben sollten. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen legten drei Fleckensverordnete ihre Ämter nieder, für die Neuwahlen stattfinden mußten. Zunächst jedoch war am 22. Februar 1907 Ersatz für zwei verstorbene Fleckenverordnete zu wählen. Mit Paul Bader und Peter Bahns bewarben sich erstmals Sozialdemokraten um diese Sitze. Obwohl die Volkszeitung an die Arbeiterschaft appellierte, „Mann für Mann zur Wahl zu gehen und unsere (!) Kandidaten zum Siege zu verhelfen", reichte es nicht zum Einzug in das Fleckenskollegium. Während die bürgerlichen Kandidaten 131 bzw. 126 Stimmen erhielten, konnten die Sozialdemokraten nur 47 bzw. 39 Stimmen für sich verbuchen.

Als dann im April 1907 die Ersatzwahlen für die wegen der umstrittenen Bürgermeisterwahl zurückgetretenen Fleckens-verordnete stattfanden, traten „wegen Mangels an Kandidaten" und weil „in der gegenwärtigen Stimmung unter der Bürgerschaft auf irgend einen Erfolg nicht zu rechnen war" keine Sozialdemokraten mehr an. Auch als ein Jahr später dann doch ein neuer Bürgermeister gewählt wurde, zeigte sich die organisierte Arbeiterschaft „wenig interessiert an dieser Wahl." Zwar wurden zu Stadtverordnetenwahlen regelmäßig sozial-demokratische Kandidaten aufgestellt, aber sie konnten sich nie durchsetzen. Und genau so regelmäßig beklagte die Volkszeitung das mangelnde Interesse der Arbeiterschaft und die geringe Wahlbeteiligung. Doch selbst wenn dies anders gewesen wäre: Das politische Klima der Kaiserzeit und das Drei-Klassen-Wahlrecht bildeten schier unüberwindlichen Barrieren für sozialdemokratische Kandidaten auf Kommunalebene.

 

Anzeige in der VZ v. 21.01.1911

Auch innerhalb des jungen Nortorfer Ortsvereins lief nicht immer alles glatt, wie der Bericht über die am 12. September 1908 abgehaltene Mitgliederversammlung in der Volkszeitung zeigt: „Die am Sonnabend abgehaltene Mitglieder-Versammlung des Wahlvereins war ausnahmsweise gut besucht. Aufgenommen wurden drei neue Mitglieder. Alsdann wurde zum dritten Mahle die Wahl des 1. Vorsitzenden verhandelt. Genosse Bader hatte die Wiederwahl ganz entschieden abgelehnt. Da zwei weitere Genossen die Wiederwahl ebenfalls ablehnten, nahm Genosse Bader schließlich im Interesse des Vereins das Amt wieder an mit dem Wunsche, daß man den Vorstand künftig besser unterstützen möge und nicht, wie bisher, über jede Kleinigkeit nörgele. (...) Zum Schluß wurde noch der Wunsch ausgesprochen, daß die Versammlungen immer so gut besucht sein möchten." (VZ vom 16.09.1908) Einigkeit war also wieder hergestellt und statt sich mit inneren Querelen zu verschleißen konnten sich die Nortorfer Sozialdemokraten wieder ihren Gegnern zuwenden, von denen es reichlich gab.

 

 

Auszug aus dem Rechenschaftsbericht des 7. Schleswig-Holsteinischen Wahlkreises 1908/1909
(Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn)

 
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