MdB Sönke Rix: Griechenland gehört zu uns! geschrieben von Sönke Rix, MdB am 29.01.2015, 16:21 Uhr
„Europa reagiert gelassen“ titelt die „Frankfurter Rundschau“ am Tag nach der Parlamentswahl in Griechenland. Und was bleibt Europa auch anderes übrig? Griechenland hat eine souveräne Wahlentscheidung getroffen. Mit großem Abstand hat die Syriza-Partei von Alexis Tsipras gewonnen. Ob die Zusammenarbeit der Wahlsiegerin mit der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen (Anel) funktionieren kann, wird sich zeigen.
Zweifel sind aber erlaubt, ob eine Koalition zweier antieuropäischer und populistischer Parteien die Gemeinsamkeiten und die Stabilität finden, die für die Bewältigung der großen Herausforderungen vonnöten sind.
Überraschen kann das Ergebnis aber niemanden. Viele Griechen haben in den letzten Jahren sehr schmerzhafte Einschnitte ertragen. Das Land hat Schulden in Höhe von rund 320 Milliarden Euro, das sind fast 180 Prozent des Bruttoinlandprodukts, die Arbeitslosigkeit liegt bei 25,5 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 48,4 Prozent, die Menschen mussten seit 2009 im Schnitt Einkommenseinbußen in Höhe von 30 Prozent hinnehmen. Ich möchte mir nicht ausmalen, was bei solchen Zuständen auf unseren Straßen los wäre. In Griechenland gingen immer noch 64 Prozent der Menschen zur Wahl und haben jetzt diejenigen abgewählt, die durch Korruption und Vetternwirtschaft das Land zugrunde gerichtet haben.
Ich meine, die Griechen haben weiterhin unsere Solidarität verdient. Es darf keine weiteren Kürzungen im Sozialbereich geben und es ist wichtig, dass die neue Regierung es schafft, strukturelle Reformen, nachhaltige Investitionen und eine tiefgreifende Modernisierung von Wirtschaft und Verwaltung auf den Weg zu bringen. Genau das hat die abgewählte Regierung von Antonis Samaras nicht geschafft, wahrscheinlich nicht einmal ernsthaft versucht.
Die Menschen müssen endlich Licht am Ende des Tunnels sehen. Ganz entscheidend ist auch eine viel stärkere Beteiligung der Reichen an den Hilfsmaßnahmen. Eine Vermögensabgabe und das Schließen von Steuerschlupflöchern müssen ganz oben auf die Tagesordnung kommen. Natürlich wird es auch harte Verhandlungen mit der EU über ein Anschlussprogramm geben. Dabei dürfen wir das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verlieren: Griechenland soll als fester Bestandteil der Eurozone in die Lage versetzt werden, seine Schulden selbst zurückzuzahlen.
Der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hält den neuen griechischen Ministerpräsidenten für einen Pragmatiker, der weiß, dass seine Regierung nicht mit weitreichenden Finanzzugeständnissen der Euro-Partner rechnen kann. Dass Griechenland die Euro-Zone verlässt, glaubt er nicht, und für einen Schuldenschnitt oder gar Schuldenerlass für Griechenland gibt es keine Mehrheiten.
Unter dieser Grenze wird es aber Verhandlungen geben (müssen), die Griechenland und der neuen Regierung Wege aufzeigen. Denn – um mit Helmut Schmidt zu sprechen: Griechenland gehört zu uns!
Erschienen als "Bericht aus Berlin" in der "Eckernförder Zeitung" vom 28.01.2015
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